Am 10.April 2006 wurde Dieter Hoffmann-Axthelm im Namen des Bundespräsidenten Horst Köhler das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht.
Vorgeschlagen hatte die Würdigung die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Dr. Antje Vollmer. Aus ihrer Begründung:
Sein jahrzehntelanges intellektuelles und praktisches Engagement für den Erhalt des kulturellen Erbes unserer Städte, für eine lebenswerte, ökologische und bürgerfreundliche Stadtkultur, gegen eine oft zerstörerische Stadtplanung und für die Bewahrung gewachsener Stadtquartiere sind ein beeindruckender Beitrag zur öffentlichen Kultur in Deutschland. Stets ist Hoffmann-Axthelm darum bemüht, städtebauliche und architektonische Fachfragen im Sinne einer demokratisch-zivilgesellschaftlichen Diskussionskultur zu öffnen und auch dem ‚Laien‘ verständlich zu machen. Persönlich habe ich diese eminent demokratische Grundhaltung von Dieter Hoffmann-Axthelm während seines Einsatzes für die Stärkung des Denkmalschutzes schätzen gelernt.
Schon sehr früh hat Hoffmann-Axthelm auf die Gefahren einer zunehmenden Zersiedlung und ‚Ausfransung‘ der Städte hingewiesen und sich an lokalen Bürgerinitiativen beteiligt. Durch die funktionale Zergliederung der Stadt drohen nach seiner Überzeugung gewachsene lokale Strukturen zerstört zu werden – ein Vorgang, der sich leider vielerorts beobachten läßt. Anläßlich der Internationalen Bauaustellung (IBA) in Berlin 1984–87 forderte Hoffmann-Axthelm deshalb, daß die Parzelle als Planungsgrundlage des Stadtumbaus dienen sollte. Denn sie ermögliche eine lebendige soziale und funktionale Durchmischung und schaffe es so, die grundlegenden Errungenschaften der europäischen Stadt zu bewahren: ein bunt durchmischtes, lebendiges urbanes Leben ohne funktionale Trennungen in Freizeitparks, Einkaufszentren am Stadtrand usw., kompakte Stadtgrenzen und gemischte Wohnquartiere stadt ungezügelter Suburbanisierung. Gegen die wie ‚Rühreier‘ (Zitat Hoffmann-Axthelm) ausfransenden Vorstädte der globalen Mega Cities brachte er die europäische Stadtkultur als Gegenmodell ins Spiel; seine Argumente für die europäische Stadt als Ort der Begegnung und politischen wie kulturellen Freiheit lassen sich unter anderem in seinen einflußreichen Publikationen Die dritte Stadt (1993) und Anleitung zum Stadtumbau (1996) nachlesen. Darin fordert Hoffmann-Axthelm zur Rückkehr zu höherer Verbauungsdichte und zur Schaffung von Mischquartieren aus Wohnen, Arbeiten und Konsumieren auf.
Wie vorausschauend, ja beinahe prophetisch Hoffmann-Axthelms frühe Vorschläge für den Erhalt europäischer Stadtstrukturen waren, zeigt sich aktuell am zunehmenden Wunsch der Bürger nach gewachsenen lokalen Stadtkulturen. Die klassische europäische Urbanität wird gerade in Zeiten einer zunehmend unübersichlichen Globalisierung als Modell für vitale Stadtkulturen und Zivilgesellschaften entdeckt. Debatten unter Architekten und Städteplanern, der sogenannte New Urbanism, aber auch der internationale Städtetourismus nach Europa sind Belege für dieses wiederkehrende Bedürfnis nach der europäischen Stadt. Hoffmann-Axthelm hat diesen Wünschen der Bürger eine intellektuelle Stimme gegeben, und er ist deshalb als Gastprofessor und Vortragender im europäischen Ausland und in den USA sehr gefragt. Er ist längst ein wichtiger intellektueller Repräsentant Deutschlands und hat durch sein überzeugendes Wirken das Klischeebild vom staatsgläubigen und planungswütigen duetschen Städteplaner korrigiert.
Neben zahlreichen Buchveröffentlichungen und Ausstellungen hat Hoffmann-Axthelm auch als Redakteur und Mitherausgeber von arch+ und Ästhetik & Kommunikation sowie als Autor in verschiedenen Zeitungen (Serien in der taz und im Tagesspiegel) seine Überlegungen zu Architektur und Stadtplanung in den öffentlichen Diskurs eingebracht. Gerade sein Bemühen, sogenannte Expertendiskurse der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verdient allerhöchste Anerkennung.
Hoffmann-Axthelm hat an zahlreichen Stadtplanungsprojekten mitgewirkt. Besonders hervorheben möchte ich seinen Strukturplan für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Kasseler Unterneustadt. Hier zeigte sich exemplarisch und geradezu modellhaft Hoffmann-Axthelms Gabe, eine bürgerfreundliche Modernisierung und die Pflege des kulturellen Erbes zu verbinden. Hoffmann-Axthelm war zudem maßgeblich an zahlreichen weiteren Projekten beteiligt: Bereits 1977 begann seine fordauernde Auseinandersetzung mit der Berliner Friedrichstadt und dem Umgang mit dem Gestapo-Hauptquartier. Zugleich setzte er sich für die Stadtverwaltung in Berlin-Kreuzberg und gegen die Kahlschlagsanierung dort ein. Nach 1989 wurde Hoffmann-Axthelm zu einem wichtigen Impuls- und Ideengeber und Kritiker der Gestaltung des wiedervereinigten Berlins; seine Charta für die Berliner Mitte war ein origineller Beitrag zur Neugestaltung der Berliner Mitte.
In den letzten Jahren widmete sich Hoffmann-Axthelm nicht nur dem Wissenschaftsstandort Adlershof in Berlin, sondern auch dem Berliner Judenhof – zu den schönsten Ergebnissen zählt inzwischen, daß in der Folge in Perleberg ein Projekt entstanden ist, das den dortigen Judenhof, den besterhaltenen in Deutschland, im Rahmen des Kulturjahres Brandenburg 2005 der Öffentlichkeit präsentiert.
Besonders große öffentliche Aufmerksamkeit wurde der von Hoffmann-Axthelm initiierten Debatte um die Situation des Denkmalschutzes in Deutschland zuteil. In seinen Zwölf Thesen zum Denkmalschutz aus dem Jahr 2000 schlug er eine Umgestaltung und neue Standortbestimmung des Denkmalschutzes sowie ein tabufreies Nachdenken über eine stärkere private Verantwortung für den Denkmalschutz vor. Kern seines Konzeptes ist eine transparente, zielgerichtete und vor allem bürgernahe Denkmalpflege, welche an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an bürokratischer Eigenlogik orientiert ist.
Überreicht wurde Dieter Hoffmann-Axthelm das Bundesverdienstkreuz durch die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer, die ihn mit folgenden Worten würdigte:
Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann-Axthelm,
seit nunmehr fast dreißig Jahren haben Sie einen großen Teil Ihrer Energie, Engagement und Leidenschaft der Architektur und Stadtplanung gewidmet. […]
Als Vordenker des 1999 vom Berliner Senat beschlossenen Planwerks Innenstadt und als Co-Autor der hierfür eingesetzten Projektgruppe Historisches Zentrum leisteten Sie einen großen Beitrag zur Entwicklung des Leitbildes zur nachhaltigen Reurbanisierung und Revitalisierung der historischen Mitte und der City-West. Ziele wie die Entwicklung der kompakten Stadt, der Stadt der kurzen Wege, der lebendigen Innenstadt für alle Funktionen des Lebens, dem Kampf gegen die Zersiedlung gehören heute zu den zentralen Aufgaben meines Hauses – und sie stehen nicht nur in Berlin auf der Tagesordnung. Die Renaissance der Innenstädte ist heute ein globales Thema geworden, die europäische Stadt zu einem wieder erwachten Leitbild zukunftsfähiger Stadtentwicklung.
Typisch für ihr Handeln – so heißt es – sind Leidenschaft und, ja, auch mal deutliche, ein Thema zuspitzende Worte. Wie zum Beispiel Ihr Vorschlag, nur noch das wirklich Alte und Schöne zu schützen und zu bewahren und zahlreiche Bauten der Fünfziger bis Siebziger nicht als historisch, sondern schlicht als ‚veraltet‘ zu begreifen. Aus Ihrem 1975 veröffentlichten Buch Das abreißbare Klassenbewußtsein über die Baugeschichte und den Wiederaufbau des Mehringplatzes in Kreuzberg wird von gesellschaftsbezogenen Kunsthistorikern und Architekten noch immer gerne zitiert.
Mit Thesen wie „der Stadtgrundriß ist das primäre Gedächtnisinstrument der Gesellschaft, das es erlaubt, das Gewesene, das sonst ortlos spuken würde, in der Gegenwart anwesend zu machen“ oder der Behauptung, daß „alle Erinnerung räumlich sei“, haben Sie wichtige Diskussionen entfacht und auf die geschichtlichen Wurzeln unserer Stadt hingewiesen. Schon zu einer Zeit, wo kaum über Zersiedlung und Verödung von Innenstädte geredet wurde, bewiesen Sie damit sehr viel Weitsicht hinsichtlich der weiteren Entwicklung.
Sie wissen um die Schwierigkeiten des Städtebaus. Doch Sie halten an der Zukunft der Stadt fest, das urbane Leben zu retten, die weitere Suburbanisierung zu stoppen. Der Feind ist die moderne Zonierung der Stadt in verschiedene Funktionen, das Rezept eine Verdichtung, die Bewahrung oder Bewahrung der Mischung. Es geht um den Umbau, um den Eingriff in die bestehenden Städte, um das Ausspielen des bereits von ihnen besetzten Raumes. Nicht um das chirurgische Seziermesser Le Corbusiers, um die Städte aufzuschlitzen, sondern um therapeutische Eingriffe und um die Akzeptanz mancher Mißstände, die urbanes Leben immer mit sich bringt.
So haben Sie nicht nur bei vielen Personen und Persönlichkeiten ‚bleibenden Eindruck‘ hinterlassen, sondern auch im Stadtbild: In Berlin beispielsweise in der Friedrichstadt, der Dorotheenstadt und dem Friedrichswerder, aber auch anderswo, wie in Eberswalde oder in der Kasseler Unterneustadt. […]
Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann-Axthelm, Sie leben in Berlin. Ihr Wirken hat in vielen Fällen zum Wohl unserer Stadt, zum Gemeinwohl beigetragen. Sie sind jemand, der sich nicht scheut, die Stimme zu erheben, und haben damit schon oft unter Beweis gestellt, daß Ihnen Ihre Geburtsstadt am Herzen liegt. Dafür danke ich Ihnen herzlich. Wenn wir auf Berlin als Kulturstadt und weltoffene Metropole stolz sind, dann stehen dahinter der Einsatz, die Arbeit und die guten Ideen vieler Menschen. Einer davon sind Sie, Herr Dr. Hoffmann-Axthelm. Die Stadt braucht Menschen wie Sie. Die Stadt braucht auch Ihren weiteren Einsatz und Ihr Engagement. Ich bin sicher, daß Sie noch vieles planen. Doch zunächst wollen wir heute Ihre Leistungen mit der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland würdigen.